Die heimlichen Förderer des Baumwachstums
Die meisten B?ume leben in Symbiose mit Pilzen. Wie wichtig diese Gemeinschaft für das Wachstum ausgewachsener B?ume ist, zeigen ETH-Forschende mit einer umfangreichen Datenanalyse erstmals grossfl?chig für europ?ische W?lder auf.
Die Mehrheit aller Baumarten weltweit ist mit Wurzelpilzen, sogenannten Ektomykorrhiza, verbandelt. Diese bilden um die feinen Wurzeln ein dichtes Geflecht, versorgen die B?ume mit N?hrstoffen und schützen sie gegen Krankheitserreger. Als Gegenleistung beziehen die Pilze von den B?umen Energie in Form von Kohlenhydraten, welche die B?ume mithilfe der Photosynthese herstellen. Win-win also, und das ist seit langem bekannt.
Wie gross der Einfluss der Wurzelpilze auf das Wachstum ausgewachsener Waldb?ume und gesamte W?lder wirklich ist, wurde bis anhin jedoch nur unvollst?ndig verstanden. Die Forschung ging davon aus, dass physikalische Faktoren wie Temperatur, Niederschlag und der menschengemachte Stickstoffeintrag in den Boden das Wachstum von B?umen am st?rksten beeinflussen, w?hrend der Effekt der im Untergrund verborgenen Pilzgesellschaften schwierig zu messen war und übersehen wurde.
Dreimal schnelleres Wachstum
Der Postdoktorand Mark Anthony und Kolleginnen aus der Gruppe von Tom Crowther, Professor für globale ?kosysteme der ETH Zürich, zeigen nun aber für fünf am weitesten verbreitete europ?ische Waldbaumarten auf, dass unterschiedliche Pilzgesellschaften für eine gr?ssere Variation des Baumwachstums sorgen als die an einem Standort herrschenden klimatischen Bedingungen sowie der menschengemachte Stickstoffeintrag. Die entsprechende Studie ist soeben in der Fachzeitschrift ISME erschienen.
?Unterschiede in den Wurzelpilzgemeinschaften sind verknüpft mit einer dreifachen Zunahme des Baumwachstums. Diese Pilze bieten eine bessere ?kologische Erkl?rung für unterschiedliches Baumwachstum als andere Faktoren wie Temperatur und Niederschlag?, sagt Erstautor Mark Anthony.
Pilze als Düngerlieferanten
Am schnellsten wachsen B?ume dort, wo Pilzgemeinschaften darauf spezialisiert sind, die anorganischen Stickstoffverbindungen Ammonium und Nitrat aus dem Boden aufzunehmen und diese den B?umen zur Verfügung zu stellen. Anorganischer Stickstoff ist Bestandteil der meisten Dünger und f?rdert das Pflanzenwachstum besonders.
Das Wachstum der Waldb?ume war langsamer, wenn die dazugeh?rigen Pilzgesellschaften daran angepasst sind, den B?umen Stickstoff aus organischen Quellen verfügbar zu machen. Dieser Stickstoff ist in toter, abgestorbener Biomasse im Boden enthalten, und um ihn frei zu bekommen müssen die Pilze erst spezielle Enzyme bilden, welche die Biomasse verdauen und abbauen. Das kostet die Pilze mehr Energie, als wenn sie anorganischen Stickstoff direkt aus dem Boden herausl?sen k?nnen. Und weil Pilze, die organischen Stickstoff aufschliessen, die dafür ben?tigte Energie von Baumpartnern beziehen, k?nnen die B?ume selbst weniger Energie in ihr eigenes Wachstum investieren.
Pilze und deren Funktionen bestimmt
Um zu diesen neuen Erkenntnissen zu kommen, bestimmten die Forschenden Wurzelpilze in Bodenproben von 137 europ?ischen Wald-Dauerbeobachtungsfl?chen. Anschliessend ordneten sie jeder gefundenen Pilzart deren vollst?ndig entschlüsseltes Genom zu, um herauszufinden, welche Funktion jede Art im gesamten Waldsystem innehat. Schliesslich setzten die Forschenden die verschiedenen Funktionen der Pilze mit langj?hrigen Daten des Baumwachstums in Beziehung und deckten dadurch auf, wie Wurzelpilze und Baumwachstum zusammenh?ngen. Zu den untersuchten Baumarten geh?ren die Laubb?ume Eiche und Buche sowie die Nadelb?ume Kiefer und Fichte.
Baumpflanzungen mit optimalen Pilzen impfen
Die Ergebnisse werden sich auf die Forschung und die Forstwirtschaft auswirken: Wissenschaftler k?nnen nun Pilzarten und deren Eigenschaften identifizieren, welche B?ume schneller (oder langsamer) wachsen lassen. Somit kann diese Studie die Forstwirtschaft dabei unterstützen, gewisse Waldgebiete mit spezifischen Pilzgesellschaften zu beimpfen, um das Baumwachstum gezielt zu ver?ndern.
?Bereits heute werden Baumpflanzungen mit Pilzen beimpft. Mit unserer Arbeit k?nnen wir helfen, diese Praxis auf eine gute wissenschaftliche Basis zu stellen und zu verbessern?, sagt Anthony.
Er sieht auch Anwendungen in Bezug auf den Klimawandel und sich rasch ?ndernde ?kologische Bedingungen. Einerseits k?nnte ein schnelleres Baumwachstum kurzfristig dazu beitragen, mehr Kohlenstoff aus der Luft zu binden. Andererseits k?nnten für B?ume, die als Folge der Klimaerw?rmung an bestimmten Standorten schlechter wachsen, neue Pilzpartner gesucht werden, die ihr ?berleben erm?glichen.
?berlebensvorteil in der Klimazukunft
?In Zukunft k?nnten Pilzgesellschaften, die organischen Stickstoff verwerten, für etliche Baumarten von Vorteil sein?, sagt der Forscher. Denn die steigenden CO2-Konzentrationen und Temperaturen f?rdern das Pflanzenwachstum. Und um schneller wachsen zu k?nnen, zehren B?ume vom leicht verfügbaren anorganischen Stickstoff. Dadurch ersch?pft sich dessen Reservoir rascher, das Wachstum k?nnte sich langfristig verlangsamen.
Anders die Pilzgesellschaften, die organischen Stickstoff verwerten: Diese Form ist im Boden reichlich vorhanden, aber schwieriger zu nutzen. Indem die entsprechenden Pilze diese Quelle erschliessen, k?nnten sie das Wachstum ihrer Baumpartner auch in Zukunft langfristig aufrechterhalten.
Literaturhinweis
Anthony MA, Crowther TW, van der Linde S, et al.: Forest tree growth is linked to mycorrhizal fungal composition and function across Europe. The ISME Journal, 2022, online publiziert am 10. Januar. externe Seite doi: 10.1038/s41396-021-01159-7