Plättchen statt Quantenpunkte
Forscher um ETH-Professor David Norris kl?ren anhand eines Modells den generellen Mechanismus, wie sich Nano-Pl?ttchen bilden. Mit Katzengold konnten sie ihre Theorie auch gleich best?tigen.
Die Wissenschaft erforscht seit den 1980er-Jahren farbig leuchtende Quantenpunkte (engl.: Quantum Dots, QDs), und mittlerweile sind diese Nano-Kristalle auch im Alltag angekommen: Die Elektronikindustrie setzt solche in LCD-Fernsehern ein, um die Farbwiedergabe und damit die Bildqualit?t stark zu verbessern.
Quantenpunkte sind kugelf?rmige Nano-Kristalle aus Halbleitermaterial. Werden diese Kristalle mit Licht angeregt, leuchten sie grün oder rot – je nach ihrer Gr?sse, die zwischen zwei und acht Nanometern liegt. Die kugeligen Formen lassen sich sehr kontrolliert erzeugen.
Rechteckige hauchdünne Kristalle
Vor wenigen Jahren tauchte mehr oder weniger zuf?llig eine neue Art von Nano-Kristallen auf dem Radar der Forscher auf: Nano-Pl?ttchen. Diese zweidimensionalen Strukturen sind wie Quantenpunkte nur wenige Nanometer gross, aber von einheitlicher fl?chiger rechteckiger Form. Sie sind extrem dünn, oft nur wenige Atom-Schichten dick. Diesem Umstand verdanken die Pl?ttchen eine ihrer auff?lligsten Eigenschaften: Ihr Leuchten ist extrem rein.
Bis jetzt r?tselhaft war jedoch, wie die Pl?ttchen entstehen und welche Gesetzm?ssigkeiten dahinter stehen. ETH-Professor David Norris und sein Team haben das Geheimnis nun gelüftet: ?Wir wissen nun, dass es keine magische Formel gibt, um Nanopl?ttchen zu erzeugen – nur Wissenschaft?, betont der Professor für Materialtechnik der ETH Zürich.
In einer soeben in der Fachzeitschrift ?Nature Materials? erschienenen Studie zeigen die Forscher anhand von Cadmiumselenid-Nanopl?ttchen auf, wie diese ihre spezielle flache Form erreichen.
Wachstum ohne Schablone
Bislang ging die Forschung davon aus, dass es für dieses passgenaue Wachstum eine Art Formvorlage braucht. Wissenschaftler vermuteten eine Art Schablone, die durch Mischung spezieller Ausgangsverbindungen und L?sungsmitteln entsteht, in welchen sie diese flachen Nano-Kristalle erzeugten.
Norris und Kollegen konnten jedoch in Experimenten keinen Einfluss solcher Formvorlagen nachweisen – im Gegenteil: Die Pl?ttchen k?nnen in einfachen Schmelzen der Ausgangsstoffe Cadmium-Carboxylat und Selen g?nzlich ohne L?sungsmittel wachsen.
Theoretisches Wachstumsmodell erstellt
Aus dieser Erkenntnis entwickelten die Forscher ein theoretisches Modell, mit dem sie das Wachstum der Pl?ttchen simulierten. Dank dieses Modelles zeigen die Wissenschaftler auf, dass sich zuerst spontan ein Kristallisationskern aus wenigen Cadmium- und Selen-Atomen bildet. Dieser Kristallisationskern kann sich wieder aufl?sen und anders formieren. Hat er jedoch eine kritische Gr?sse überstiegen, w?chst er schliesslich zum Pl?ttchen aus.
Aus energetischen Gründen w?chst der flache Kristall nur an seiner Schmalseite, und zwar um bis zum Tausendfachen schneller als auf seiner Fl?che. Auf dieser Seite ist das Wachstum wesentlich langsamer weil dort mehr mangelhaft gebundene Atome an der Oberfl?che vorhanden sind. Um diese zu stabilisieren, wird Energie ben?tigt.
Modell experimentell best?tigt
Zu guter Letzt konnten die Forscher ihr Modell auch experimentell best?tigen, indem sie im Labor Nano-Pl?ttchen aus Katzengold (Pyrit, FeS2) herstellten. Diese Pl?ttchen liessen sich exakt anhand der Modellvorhersage mit den Ausgangsstoffen Eisen- und Schwefel-Ionen erzeugen.
?Dass wir solche Kristalle erstmals auch aus Katzengold schaffen konnten, ist sehr interessant?, findet Norris. ?Das hat uns gezeigt, dass wir unsere Forschung auf weitere Materialien ausdehnen k?nnen.? Cadmium-Selenid gilt zwar als das bestbekannte Halbleitermaterial, mit dem solche Nanokristalle bisher erforscht wurden. Allerdings ist es hochgiftig und daher für den Alltagseinsatz nicht brauchbar. Ein Ziel der Forscher ist es deshalb, Nano-Pl?ttchen aus weniger giftigen oder ungiftigen Substanzen zu erzeugen.
Weitere Entwicklung ist offen
?ber das Potenzial der Nano-Pl?ttchen kann Norris derzeit nur spekulieren. Sie seien eine interessante Alternative zu Quantenpunkten, da sie gegenüber diesen mehrere Vorteile b?ten, sagt er. So k?nnen sie Farben wie Grün besser und leuchtender erzeugen. Auch übertragen sie effizienter Energie, was sie für den Einsatz in Solarzellen pr?destinieren würde. Und auch für Laser w?ren solche Pl?ttchen geeignet.
Sie haben aber auch Nachteile. Bei Quantenpunkten l?sst sich beispielsweise die Farbe stufenlos einstellen, indem Kristalle verschiedener Gr?sse erzeugt werden. Nicht so bei Pl?ttchen. Deren Farbe ist aufgrund der Schichtung der Atomlagen nur stufenweise verschiebbar.
Diese Einschr?nkung l?sst sich aber mit bestimmten ?Tricks? mildern: Die Wellenl?nge des von den Pl?ttchen abgegebenen Lichts l?sst sich durch Verkapselung in ein anderes Halbleitermaterial feiner einstellen.
?Nur die Zeit wird es zeigen, ob sich das Interesse der Bildschirm-Industrie für unsere Entdeckung wecken l?sst?, sagt Norris. Einige Firmen setzen zurzeit organische LED (Oled) ein, andere verwenden Quantenpunkte. Wohin die Technologie sich entwickelt, ist unklar. Die vorliegende Studie ist jedoch eine wichtige Basis, um eine breite Palette von Nano-Pl?ttchen-Materialien untersuchen zu k?nnen. ?Dies k?nnte Halbleiter-Nano-Kristallen in Zukunft einen wesentlichen Vorteil verschaffen?, so der ETH-Professor.
Literaturhinweis
Riedinger A, Ott FD, Mule A, Mazzotti S, Knüsel PN, Kress SJP, Prins F, Erwin SC, Norris DJ. An intrinsic growth instability in isotropic materials leads to quasi-two-dimensional nanoplatelets. Nature Materials, Published Online 3rd April 2017. DOI externe Seite 10.1038/nmat4889