Medizintechnik-Blockkurs gewinnt Preis für innovative Lehre
Medizinstudierende der ETH Zürich bauen in einem Intensivkurs in nur einer Woche eine Greifhand für Ellbogen-Exoskelette. Dieser Kurs ist nun mit dem Kite-Award 2024, dem ETH-Preis für besonders innovative Lehre, ausgezeichnet worden.
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Die selbst entwickelte und produzierte Exoskelett-Greifhand packt zu. In diesem Moment erleben die ETH-Medizinstudierenden am eigenen K?rper, wie ihr System funktioniert und dass sie ihr theoretisches Wissen auch in der Praxis anwenden k?nnen.
Es ist dies der H?hepunkt des fünft?gigen Blockkurses ?Medizintechnik 2?, den die Studierenden im sechsten Semester ihres Bachelorstudiums besuchen. Sie knien sich mit Leib und Seele rein, um in kleinen Teams von Grund auf ein Greifer für ein Ellbogen-Exoskelett zu entwickeln und zu bauen.
Die ETH-Professoren Roger Gassert und Olivier Lambercy und die beiden Doktorandinnen Giada Devittori und Lena Salzmann entwickelten diesen Kurs. Besonders für das intensive Lernerlebnis wurde der Kurs jetzt ausgezeichnet: Die Konferenz des Lehrk?rpers der ETH verlieh den Dozierenden den Kite-Award 2024. Mit dem Preis würdigt die ETH alle zwei Jahre ein besonders innovatives Lehrprojekt.
Der Projektplan ist am ersten Tag f?llig
Um die Beteiligung und Motivation der Studierenden hochzuhalten, setzt der Kurs auf ein forsches Tempo, wie das bei sogenannten Design-Sprints üblich ist. Um 18 Uhr des ersten Kurstags liefern die Teams bereits einen Projektplan ab, am Tag darauf die ersten 3D-Visualisierungen. In den Teams übernehmen die Studierenden die Rollen von Spezialist:innen für Entwurf und Prototypenbau, Programmierung, Elektronik und Sensoren, Nutzer-Evaluation und -Pr?sentation oder als Gruppenleiter:innen. Am Vormittag des letzten Kurstags pr?sentieren sie ihre Greifer.
Dazwischen geben die Dozierenden Inputs zu Design und Prototyping, Innovation, Elektronik und Sensorik. Vortr?ge von Medizinaltechnik-Firmen und Gespr?che mit Menschen mit Behinderungen sind ebenso Teil des Kurses. Dadurch sollen die Studierenden lernen, sich konsequent an den Bedürfnissen der Nutzenden zu orientieren. Mentor:innen sind für Fragen immer vor Ort. Sie unterstützen die Studierenden beim Umgang mit dem Lasercutter, mit 3D-Druckern, beim L?ten und beim Zusammenbau der Mechanik.
Der Kurs endet mit einem Wettkampf, bei welchem die Teams mit ihren Greifern allt?gliche Aufgaben erledigen müssen. Das Format ist inspiriert vom Cybathlon, dem internationalen Wettkampf, bei welchem sich Menschen mit Behinderungen mit Assistenzsystemen in verschiedenen Disziplinen messen.
Zusammen mit der Schlusspr?sentation der Studierenden fungiert der Wettkampf als Leistungsnachweis. Durch den direkten Vergleich mit den anderen Teams erm?glicht er auch eine Selbsteinsch?tzung und hat dadurch einen Lerneffekt.
Neben der intensiven Lernerfahrung liegt den Kursmachern am Herzen, bei den künftigen ?rztinnen und ?rzten Interesse für die Ingenieurwissenschaften zu wecken und die Zusammenarbeit mit Ingenieur:innen zu f?rdern. Die Konferenz des Lehrk?rpers lobt das Projekt genau für diese Idee und für seine hohe Intensit?t.
Projekte w?hrend des ganzen Studiums
Einen anderen Ansatz verfolgen die zwei weiteren Projekte, die es in den Final des Kite-Awards geschafft haben: Ihnen gemeinsam ist, dass sie das Engagement der Studierenden über l?ngere Zeit konstant hochhalten wollen.
Am Center for Project Based Learning des Departements Informationstechnologie und Elektrotechnik (D-ITET) k?nnen Studierende Praxiserfahrung in Projekten sammeln.
Das Center ist 2020 gegründet worden und umfasst mittlerweile ein Team von 32 Wissenschaftler:innen und administrativen Angestellten. Diese unterstützen die Studierenden neben ihrer Forschungst?tigkeit.
Das Center bietet Projektarbeiten für alle Stufen an, beginnend mit kleinen, mehrw?chigen Praxisarbeiten. Sp?ter folgen fachübergreifende Flagship-Projekte, bei denen die Studierenden als Teams zusammenarbeiten. Diese orientieren sich an aktuellen Szenarien aus dem Alltag und Fragestellungen aus der Forschung und Industrie.
Die Studierenden entwickeln Algorithmen, Sensoren oder Mechanik für vierbeinige Roboter, die Sehbehindere führen k?nnen oder arbeiten an selbstfahrenden kleinen Rennautos.
Bei den Projekten lernen die Studierenden unter anderem, realistische Aufgabenstellungen zu finden, sich für eine L?sungsvariante zu entscheiden und diese in der Praxis umsetzen. Sie müssen mit knappen Budgets umzugehen, Teams führen und zu kommunizieren.
Dass Projekte aufbauend von der Bachelor- bis zur Masterstufe angeboten werden, bewertet die Konferenz des Lehrk?rpers positiv.
Automatisierte Mathematik-?bungen
Das dritte Finalisten-Projekt kommt aus der Mathematik: Die beiden Dozierenden Meike Akveld und Andreas Steiger haben automatisierte Mathematik-?bungssequenzen entwickelt. Denn um die Grundlagen wie etwa das Integrieren zu beherrschen, braucht es vor allem ?bung. Zugleich gibt es nur eine beschr?nkte Anzahl Hilfsassistentinnen, die solche ?bungen betreuen k?nnen.
Mit den automatisierten ?bungssequenzen k?nnen Studierende selbstst?ndig, wann immer sie wollen, beliebig viele Aufgaben l?sen, und sie erhalten sofort ein differenziertes Feedback.
M?glich wird dies dank einem Computeralgebrasystem Stack, mit welchem mathematische Aufgaben beurteilt und bewertet werden k?nnen. Es steht als Plugin auf der Lernplattform Moodle bereit. Akveld und Steiger haben mit diesem System eine umfassende ?bungssammlung für ihre Analysis-Vorlesungen für angehende Ingenieur:innen erarbeitet.
Dass die neue Lehrform selbst?ndiges, aktives Lernen f?rdere, lobt die Konferenz des Lehrk?rpers in ihrer Beurteilung als wegweisend. Zudem lasse sich das Konzept sehr gut skalieren und auf andere Bereiche übertragen, was angesichts des Wachstums der Studierendenzahlen an der ETH zentral sei.
Künftig sollen auch Prüfungen mit dem System durchgeführt werden. Als Pilot kam es bereits erfolgreich zum Einsatz. Der Korrekturaufwand sei deutlich gesunken, w?hrend die Aufgabenqualit?t hoch geblieben sei, schreiben die Macher:innen.
Innovation in Learning and Teaching Fair
Die Preisverleihung des Kite-Awards fand im Rahmen der zweiten ?Innovation in Learning and Teaching Fair? am 15. Mai statt. Bei dem Anlass tauschen sich ETH-??Dozierende bei einer grossen Ausstellung in der Haupthalle über innovative Lehrprojekte und -?ideen aus.
Der Kite-Award zeichnet Lehrprojekte aus, die zugleich innovativ, wirksam und nachhaltig sind, also die Kompetenzen nachhaltig festigen. Sie sollen sich aber auch potenziell auf andere F?cher und Gebiete übertragen lassen. Der Kite-Award 2024 fokussierte auf Lehrformate, die Studierende besonders aktiviert und ihr Engagement im Unterricht f?rdert.